Die Chondrite sind die häufigste Meteoritenklasse überhaupt. Statistisch betrachtet, machen sie 86 Prozent aller Fälle aus. Da Chondrite aber (wie alle Steinmeteoriten) in geologischen Maßstäben verhältnismäßig schnell verwittern, ist ihre Dominanz trotzdem nicht so sichtbar.

Das zahlenmäßige Übergewicht der Chondrite ist verständlich, wenn man bedenkt, dass die Meteoritenmaterie in aller Regel aus Asteroiden herausgerissen wurde, als sie mit anderen Himmelskörpern kollidierten. Die meisten Asteroiden sind aber zu klein, um im Inneren „differenziert“ zu sein. In ihrem Zentrum befindet sich gar kein Eisenkern, aus dem sich ein Eisenmeteorit herausschlagen ließe. Stattdessen sind in ihnen Eisen, Nickel und andere Metalle fein verteilt, wie es auch für Steinmeteoriten typisch ist. Aus den undifferenzierten Asteroiden stammen ebenso undifferenzierte Meteoriten.

Allende, ein kohliger Chondrit aus Mexiko
Kohliger Chondrit Allende (Mexiko) mit Chondren und CAIs – eigenes Foto

Chondren: erste Materie des Sonnensystems

Namensgebend für die Chondriten sind die sogenannten Chondren oder Chondrulen, die sich in (fast) jedem dieser speziellen Steinmeteoriten finden. Sie bestehen aus Silikaten, einer häufigen Mineralgruppe, die auch den größten Teil unserer Erdkruste bildet. Chondren sind runde Strukturen, die in die feinkörnige Grundmasse eines Meteoriten eingebettet sind und die sich an Meteoritenscheiben mit bloßem Auge erkennen lassen. Sie sind einige Millimeter, manchmal auch über einen Zentimeter groß.

Spannend, wenngleich nicht vollständig geklärt, ist der Entstehungsprozess dieser Silikatkugeln. Forscher favorisieren folgendes Szenario: Als sich vor über 4,6 Milliarden Jahren aus dem solaren Urnebel unser Sonnensystem formte, verdichtete sich die Materie zu Planetenvorläufern. Dabei kam es zu Schockwellen in diesen „Proto-Planeten“ und einer Hitzeentwicklung bis zu 1900 Grad. In der Hitze schmolzen die Silikate zu Chondren und kühlten danach sehr schnell wieder ab. Mithin wären Chondrite bzw. Chondren Überreste einer sehr frühen Materie unseres Sonnensystems – aus einer Zeit, als weder Sonne noch Erde in ihrer heutigen Form bestanden (Alter der Erde: 4,56 Milliarden Jahre).

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Zwei Chondriten: NWA 10662 (links; Typ LL3) und 11545 (rechts; Typ CV3) – eigenes Foto

Möglicherweise noch einige Jahrmillionen älter als die Chondren sind die CAIs, die im Kapitel über die Kapitel über die kohligen Chondriten erläutert sind.

Systematik der Chondriten

Neben Silikaten bestehen Chondriten aus Anteilen weiterer chemischer Elemente. Je nach Zusammensetzung und Entstehungsgeschichte teilt sich diese Meteoritenklasse ich folgende Untergruppen auf:

  • Gewöhnliche Chondrite: Gruppen H, L, LL
  • Kohlige Chondrite: Gruppen CB, CI, CH, CK, CL, CM, CO, CR, CT, CV
  • Enstatit-Chondrite: Gruppen EH, EL
  • Rumuruti-Chondrite
  • Kakangari-Chondrite
  • Forsterit-Chondrite (Gruppe unsicher)

Gewöhnliche Chondrite

Bei Weitem am häufigsten sind die „gewöhnlichen Chondriten“. Laut neusten Erkenntnissen haben die meisten Meteoriten dieses Typs ihren vermutlichen Ursprung bei den heute noch bestehenden Asteroiden Karin, Koronis und Massalia. Wie fast alle Steinmeteoriten enthalten diese Chondriten einen unter Umständen recht erheblichen Anteil Nickeleisen. Das Metall verteilt sich gleichmäßig in den Steinen (siehe oben). Es werden unterschieden:

  • H-Chondrite mit hohem Eisenanteil bis zu 30 Prozent (H steht für High iron); diese könnten eventuell von dem Asteroiden Hebe stammen
  • L-Chondrite mit geringem Eisenanteil bis zu 24 Prozent (L steht für Low iron)
  • LL-Chondrite mit geringem Eisenanteil bis zu 22 Prozent, wobei der Metallgehalt zugleich gering ist, weil das Nickeleisen weitgehend in chemisch gebundener Form vorliegt
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Steinmeteorit NWA 869: Typ L3-6, Foto: Peter Rüdel/Minerando

Auch das noch: Metamorphose, Schock und Verwitterung

Zudem werden die Chondrite nach dem Veränderungsgrad eingeteilt, den die Steine NACH ihrer Bildung durchgemacht haben. Chondrite der petrologischen Typen 1 bis 2 haben sich bei niedrigen Temperaturen durch Wassereinfluss (zum Beispiel wasserhaltige Tonminerale) verändert, während die Typen 4 bis 7 mehr oder weniger stark erhitzt wurden, wodurch sich neue Kristalle bildeten und die ursprünglichen Chondren teilweise aufschmolzen. Nur Chondriten vom Typ 3 wurden in den vergangenen rund 4,6 Milliarden Jahren kaum verändert und sind so etwas wie die überlieferte „Urmaterie“ des Sonnensystems. Ein H5-Chondrit wäre dagegen ein Steinmeteorit mit hohem Eisenanteil, der durch Wärmeeinflüsse mäßig stark modifiziert wurde.

In vielen seriösen Meteoriten-Beschreibungen finden sich zudem Angaben über die Schockklasse S1 bis S6 (Strukturveränderung der Materie durch die Schockwirkung der kosmischen Kollision) und die Verwitterungsklasse W0 bis W6 (Verwitterung durch irdische Klimaeinflüsse). In dieser Nomenklatur bezeichnet „S3 W0“ einen frisch gefallenen, unverwitterten Meteoriten, der einem mittelgradigen Schock ausgesetzt war. Infolge eines Schocks und der damit einhergehenden Hitzeentwicklung können die Chondrite dunkle Schocklinien zeigen oder im Extremfall sogar ganz schmelzen. Geschmolzene und abgedunkelte Steine werden üblicherweise mit dem Zusatz „melt“ versehen (zum Beispiel H melt).

Achondrite

Während die Chondrite in etwa dem irdischen Sedimentgestein entsprechen (plus Chondren), ist die Meteoritenklasse der Achondrite vulkanischen Ursprungs. Zu ihnen gehören die HED-Gruppe, die Mond- und Marsmeteoriten.

Chondrite: auch „gewöhnliche“ sind besonders