Die elsässische Kleinstadt Ensisheim ist so etwas wie das Mekka der Meteoritenfreude. So wie die Kaaba das heilige Zentrum im islamischen Mekka darstellt, dreht sich in Ensisheim vieles um einen 1492 gefallenen Steinmeteoriten. Bemerkenswert ist insbesondere, dass von dem einst 127 Kilo schweren Meteoriten noch sehr viel Substanz erhalten ist – das größte Stück sogar in einem Ensisheimer Museum.
Neugier und Furcht
Im selben Jahr dieses Meteoritenfalls erreichte Christoph Kolumbus Amerika – ein Datum, das viele Historiker als Beginn der Neuzeit definieren. In Ensisheim dagegen, wie in vielen Teilen Europas, war vermutlich das „finstere“ Mittelalter noch kaum überwunden. Vom Himmel fallende Steine wurden als diabolisch verdächtigt und weniger als wissenschaftliches Forschungsobjekt betrachtet. Dennoch war die Ensisheimer Bevölkerung wohl bemerkenswert neugierig: Laut Überlieferung lösten viele Leute Erinnerungsstücke von dem Steinmeteoriten, bis ein Verbot erlassen wurde. So groß kann die Angst vor dem Teufel (mehr dazu hier) also gar nicht gewesen sein.
Spekulationen zufolge soll der der berühmte Maler Albrecht Düren den Ensisheim-Meteoriten in seinem Werk „Büßender Heiliger Hieronymus“ verewigt haben – allerdings nicht auf der Vorder-, sondern auf der Rückseite seines wahrscheinlich 1494 geschaffenen Gemäldes. Zwar ist unwahrscheinlich, dass Dürer den „Donnerstein“ mit eigenen Augen gesehen hat, aber der Meteorit war seinerzeit in vieler Munde und regnete die Menschen zu allerlei Prophezeiungen an.
Ein gewöhnlicher Steinmeteorit
In späteren Zeiten, als die Wissenschaft Meteoriten als außerirdische Objekte akzeptiert hatte, wurde auch der Ensisheimer Stein näher untersucht und als häufig vorkommender Typ LL6 eingestuft. Er ist ein Chondrit, der wenig Eisen enthält und durch spätere Erhitzung relativ stark verändert wurde. Diese profane Erkenntnis mindert aber seine historische Bedeutung in keiner Weise.
Ein Muss für Meteoritenfans aus aller Welt ist die jährliche „Ensisheim Meteorite Show“. Jeden Sommer breiten dann Händler und Sammler ihre Schätze im Elsass aus und leisten dem denkwürdigen Fund von 1492 Gesellschaft.